Mit seiner am vergangenen Freitag veröffentlichten Entscheidung hat der BGH eine dem Vergabehandbuch des Bundes entsprechende Klausel verworfen, die die Höhe der Vertragsstrafe an die Auftragssumme anknüpfend berechnet.
Die Klägerin begehrt Restwerklohn. Sie gab im Rahmen einer auf Einheitspreisen basierenden Ausschreibung der Beklagten über Glasfaseranschlüsse ein Angebot ab, das auf die VOB/B und auf die Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) der Beklagten Bezug nahm. Die Vertragsbedingungen enthielten einen Termin für eine abnahmereife Fertigstellung.
Die BVB des Auftragsgebers enthielten folgende (unverhandelte) AGB‑Vertragsklausel zur Vertragsstrafe:
„2. Vertragsstrafen (§ 11 VOB/B)
Der Auftragnehmer hat bei Überschreitung der unter 1. genannten Einzelfristen oder der Frist für die Vollendung als Vertragsstrafe für jeden Werktag des Verzugs zu zahlen:
☐ …
☒ 0,2 v. H. der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme ohne Umsatzsteuer;
Beträge für angebotene Instandhaltungsleistungen bleiben unberücksichtigt. Die Bezugsgröße zur Berechnung der Vertragsstrafen bei Überschreitung von Einzelfristen ist der Teil dieser Auftragssumme, der den bis zu diesem Zeitpunkt vertraglich zu erbringenden Leistungen entspricht.
Die Vertragsstrafe wird auf insgesamt 5 v. H. der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme (ohne Umsatzsteuer) begrenzt. "
Die Werkleistungen der beauftragten Klägerin waren erheblich später fertig als vereinbart. Die Beklagte zahlte daraufhin den Werklohn nur unter Abzug der Vertragsstrafe.
Der BGH hat entschieden, dass die Beklagte der Restwerklohnforderung der Klägerin keine Vertragsstrafe entgegenhalten kann. Die Vertragsstrafenklausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Sie benachteiligt den Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.
Nach der Klausel ist die Vertragsstrafe auf insgesamt 5 % der vor der Ausführung des Auftrags vereinbarten Netto‑Auftragssumme begrenzt. Die Formulierung „im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme (ohne Umsatzsteuer)" führt nach ihrem Wortlaut dazu, dass sich die Höhe der Vertragsstrafe nach der bei Vertragsschluss vereinbarten Netto‑Auftragssumme richtet. Zwar kann der Begriff der „Auftragssumme“ einerseits als die nach der Abwicklung des Vertrags abschließend geschuldete Vergütung zu verstehen sein, andererseits aber auch als derjenige Wert, der sich nach der von den Parteien vor der Ausführung des Auftrags vereinbarten Vergütung bemisst (vgl. BGH VII ZR 28/07). Durch die ausdrückliche Anknüpfung an die „im Auftragsschreiben genannte[n]" Netto‑Auftragssumme ist hier allerdings klar der Wert der Vergütung gemeint, die vor der Ausführung des Auftrags vereinbart wurde. Im Zeitpunkt Auftragserteilung steht bei einem Einheitspreisvertrag, bei dem die Mengen nach dem (späteren) tatsächlichen Verbrauch berechnet werden, nur diese Summe fest.
Diese Bestimmung über die Vertragsstrafe ist jedenfalls in einem Einheitspreisvertrag unwirksam. Eine Vertragsstrafenklausel des Auftraggebers benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen, wenn sie mehr als 5 % der Auftragssumme bei Überschreiten des Fertigstellungstermins vorsieht (BGH VII ZR 210/01). In der Abwägung zwischen zugebilligter Druck- und Kompensationsfunktion zur Einhaltung der Vertragsfrist und den Interessen des Auftragnehmers muss die Vertragsstrafe in einem angemessenen Verhältnis zum Werklohn stehen (BGH VII ZR 133/11). Der Auftragnehmer wird typischerweise durch den Verlust von mehr als 5 % seines Vergütungsanspruchs unangemessen belastet (BGH VII ZR 210/01).
Daraus folgert der BGH für die Grenze von 5 % in der neuen Entscheidung nunmehr, dass die tatsächlich erzielte Abrechnungssumme in ihrer objektiv richtigen Höhe der Bezugspunkt sein muss. Das folge aus der Orientierung des Grenzwerts an dem tatsächlichen „Verdienst“ des Auftragnehmers. Dieser könne durch den Verlust von über 5 % der Vergütungssumme in vielen Fällen nicht nur seinen Gewinn verlieren, sondern einen spürbaren Verlust erleiden. Bei einem Einheitspreisvertrag könne die bei der Beauftragung vereinbarte Auftragssumme – etwa durch Verringerung der tatsächlich ausgeführten Mengen – sinken, so dass die vom Auftragnehmer zu erbringende Strafzahlung die Grenze von 5 % des Vergütungsanspruchs erheblich übersteigen könne.
Sodann prüfte der BGH, ob ein Ausgleich für die Privilegierung des Auftraggebers anderweitig, etwa durch einen Vorteil für den Auftragnehmer, erfolgt, verneinte dies aber. Auch die bessere Bestimmbarkeit der Höhe der Vertragsstrafe ließ der BGH nicht als Rechtfertigung für die Benachteiligung gelten.
Auch wenn Vertragsstrafen in der prozessualen Praxis eher selten erfolgreich sind, dürfte die Entscheidung eine große Bedeutung für die außergerichtliche Verfolgung von Vertragsstrafen haben, da sich in vielen Verträgen Bezugnahmen auf den Auftragswert bei Auftragserteilung finden.
Die als Obiter Dictum getroffene Aussage, dass die Abrechnungssumme in ihrer objektiv richtigen Höhe die maßgebliche Bezugsgröße sei, erscheint allerdings fraglich. Deutlich wird dies am Fall der gänzlichen Nichtleistung. Der Auftragnehmer könnte keine Vergütung beanspruchen und zugleich der geschädigte Auftraggeber keinerlei Vertragsstrafe. Dass der Auftraggeber immer nur nach der zu zahlenden Vergütung bemessen die Vertragsstrafe erhalten soll, läuft damit dem Gedanken der Druck- und Kompensationsfunktion, die vom BGH ausdrücklich gebilligt wurde, zuwider. Die Vertragsstrafe wäre damit gerade für Extremfälle abgeschafft. Angemessener erscheint es, auf den aktuellen, durch Änderungen (nach Vereinbarungen, Anordnungen oder auch objektive Mengenermittlungen) modifizierten Auftragswert abzustellen, der dann auch dem hypothetischen Abrechnungswert bei Vertragserfüllung und damit der Einnahmechance des Auftragnehmers entspräche. Ob er diese Vergütung erhält, hätte der Auftragnehmer selbst in der Hand. Die damit einhergehende Unsicherheit bei Abschluss des Vertrags hinsichtlich der Höhe der Vertragsstrafe wäre nicht größer als bei der erst nach Leistung ermittelten objektiven Abrechnungssumme. Mit dem Ziel einer Vertragsstrafe wäre dies wesentlich besser vereinbar. Da das Obiter Dictum nicht bindend ist, sind insoweit möglicherwiese noch Konkretisierungen in weiteren Entscheidungen zu erwarten.
Fraglich sind auch die Folgen der Entscheidung für die sicherlich die Mehrzahl der Fälle bildenden höheren Abrechnungssummen. Es scheint keineswegs ausgemacht, dass die aus der Lösung des BGH zunächst naheliegende automatische Erhöhung der Vertragsstrafe durch Abrechnungssummen, die höher als die Auftragssummen sind, nicht ihrerseits eine unangemessene Benachteiligung darstellen würde. Zwar steigt die Abrechnungssumme, im unterkalkulierten Vertrag wäre dies aber kein Ausgleich für den steigenden Verlust.
Es ist unklar, wie sich die Rechtsprechung auf Pauschalverträge auswirkt. Bei Bestehen eines einseitigen Änderungsrechts des Auftraggebers ergäbe sich jedoch keine andere Bewertung.
Aufgrund der Entscheidung stellt sich ferner die Frage, ob die Entscheidung nun auch dazu zwingt, die Höhe für die Vertragserfüllungssicherheit an der Abrechnungssumme auszurichten. Die Interessenlage ist anders, weil die Vertragserfüllungssicherheit zur Erreichung ihres Sicherungszwecks immer im engen zeitlichen Zusammenhang zur Beauftragung gestellt werden muss und dafür die Abrechnungssumme als Bezugsgröße untauglich ist. Da es nur um Sicherheitsleistung geht, droht hier kein endgültiger Vermögensentzug. Daher scheint keine Orientierung an der Abrechnungssumme geboten, wohl aber ggf. ein Freigabeanspruch.
Bartholomäus Aengenvoort
Partner
Rechtsanwalt
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Sarah‑Maria Gerber
Associate
Rechtsanwältin
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