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Ehe für alle – alles klar?

‑- Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (BT‑​Drs. 18/6665 und 18/12989)

Der Bundestag verabschiedete am 30. Juni 2017 einen unveränderten Entwurf des Bundesrates zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts. Der Bundesrat hat das Gesetz am 07. Juli 2017 gebilligt. Nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten wurde das Gesetz am 28. Juli im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt am 1. Oktober 2017 in Kraft. Eingetragene Lebenspartnerschaften können ab diesem Zeitpunkt nicht mehr begründet werden, bestehende Lebenspartnerschaften können in eine Ehe umgewandelt werden.

Kernpunkt des beschlossenen Gesetzes ist eine Änderung von § 1353 Absatz 1 Satz 1 BGB, der künftig lautet: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“

Während Ehe und Lebenspartnerschaft rechtlich bereits nahezu gleichgestellt waren, hebt das Gesetz die bestehende sprachliche Differenzierung auf und führt damit zu einer vollständigen Gleichstellung, auch bezüglich des Adoptionsrechts, die bislang noch nicht gegeben war.

Roma locuta, causa finita? Nicht ganz.

Die „Gegner“ des Vorhabens verweisen nach wie vor auf verfassungsrechtliche Bedenken, namentlich auf Art. 6 Absatz 1 GG, nach dem Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Staates stehen, und auf Art. 79 Absatz 1 GG, der bestimmt: „Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt.“ Diese Vorschrift sehen die Kritiker verletzt. Der Gang nach Karlsruhe bleibt – möglich wäre eine sog. abstrakte Normenkontrolle – indes „nur“ der Bundesregierung, einer Landesregierung oder einem Viertel der Mitglieder des Bundestages vorbehalten; Privatpersonen oder einzelne Bundestagsabgeordnete sind im Normenkontrollverfahren nicht antragsbefugt. Verfassungsrechtliche „Rückzugsgefechte“ sind damit nicht ausgeschlossen.

Rechtspolitisch schwieriger dürfte sein, dass bedeutende (Folge‑)Fragen des Abstammungsrechts ungeklärt sind, was möglicherweise auch daran liegt, dass etwa „Co‑​Mutterschaft“, „Leihmutterschaft“ oder „Vater‑​Vater‑​Kind‑​Familien“ in der Öffentlichkeit nach wie vor als Randthemen diskutiert werden. Der vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) organisierte Arbeitskreis Abstammungsrecht, der im Juli 2017 Empfehlungen für eine Reform des Abstammungsrechts vorgelegt hat, sieht denn insbesondere auch in Bezug auf Kinder, die in gleichgeschlechtliche Beziehungen hineingeboren werden, dringenden Handlungsbedarf. Es wird für jeden in unserer Gesellschaft spannend sein, diese Themen zu begleiten. Den Bericht des Arbeitskreises finden Sie auf der Internetseite des BMJV.

Ulrike Börger

Ulrike Börger
Of Counsel

Rechtsanwältin
(boerger@redeker.de)

Wer erbt den „digitalen Nachlass“, wenn eine Person verstirbt?

‑‑Kammergericht Berlin, Urteil vom 31.05.2017 – 21 U 9/16

In Berlin wurde eine 15‑jährige Facebook‑​Nutzerin von einer U‑​Bahn erfasst und starb. Es blieb unklar, ob ein Suizid vorlag. Die Mutter der Verstorbenen wandte sich an Facebook und verlangte Zugang zu dem Facebook‑​Account, weil sie sich von den gespeicherten Daten Informationen zu den Beweggründen ihrer Tochter erhoffte. Facebook lehnte das Ansinnen ab. Das Landgericht gab der Klage in erster Instanz statt, vor dem Kammergericht hatte das Urteil indes keinen Bestand. Zur wesentlichen Fragestellung der Vererblichkeit von Daten äußerte sich das Kammergericht nicht abschließend und ließ offen, ob die Eltern als Erben in den Vertrag eingerückt sind, den die verstorbene Tochter mit Facebook geschlossen hatte, weil einem Anspruch der Mutter bereits das Fernmeldegeheimnis entgegenstehe. Die Klägerin hat Revision eingelegt (Az. III ZR 183/17), nun wird der Bundesgerichthof entscheiden.

In der juristischen Debatte hat das Urteil Zuspruch, zum Teil aber auch heftige Kritik erfahren. Das verwundert nicht. Das Thema des „digitalen Nachlasses“ wird seit Jahren kontrovers diskutiert, was bereits bei der Definition anfängt (gesetzlich ist der Begriff nicht festgelegt) und hin zu erbrechtlichen, AGB‑​rechtlichen und telekommunikationsrechtlichen Fragen führt.

Im Erbrecht gilt der Grundsatz der Universalsukzession, das heißt der vermögensrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge. Der Erbe tritt grundsätzlich umfassend in alle Rechtsbeziehungen des Erblassers ein. Eine Rückbesinnung auf diesen Grundsatz muss den Ausgangspunkt der Beantwortung auch der neuen Herausforderungen des digitalen Zeitalters bilden. Die telekommunikations- und datenrechtlichen Bedenken, die das Kammergericht aufgreift, lassen sich nach hiesiger Auffassung mithin überwinden. Geklärt ist das bedauerlicher Weise aber noch nicht und es schließen sich – auch wenn man den hiesigen Standpunkt teilt – weitere Fragen an: Kann etwa durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zulässig von dem erbrechtlichen Grundsatz abgewichen werden oder stünde das gesetzliche Leitbild (Gesamtrechtsnachfolge) entgegen? Wäre eine entsprechende Regelung überraschend und daher unzulässig? Und differenziert der maßgebliche Personenkreis vielleicht sogar zwischen E‑​Mail‑​Accounts, beruflichen und privaten Netzwerken oder etwa Konten zur Nutzung von Filmen/​Musik und hat hier unterschiedliche Erwartungen an die Vererbbarkeit?

Während für den einen Liebesbriefe im Fokus stehen, die nicht in „falsche Hände“ geraten sollen, sehen andere, dass über die „private“ E‑​Mail‑​Adresse heutzutage typischerweise auch geschäftliche Beziehungen abgewickelt werden und die Erben hier Zugriff haben müssen. Pläne und Zeichnungen von Architekten, Rechnungen von Ärzten, Kreditkarten, Hotels oder Fluggesellschaften, Versandhäusern und selbst dem „kleinen Geschäft aus der Nachbarschaft“ werden heute digital versandt; Fotos werden in der „Cloud“ gespeichert. Sollen die Erben auf diese Daten zugreifen können oder gerade nicht? Ist die Löschung der Speicherung vorzuziehen und wer überwacht eigentlich, ob es zur Löschung kommt? Die Fragen betreffen jeden; jeder ist „zukünftiger Erblasser“, steht vor einem Flickenteppich verschiedener AGB und der Aufgabe, auch auf unklarer rechtlicher Basis bestmöglich vorzusorgen. Der digitale Nachlass ist damit weit davon entfernt, ein „akademisches Glasperlenspiel“ zu sein.

Empfehlungen zur Sicherstellung der Passwortweitergabe existieren bereits, auch für die Frage, welche Regelungen in ein Testament gehören und welche (besser) in eine Vorsorgevollmacht. Was konkret zweckmäßig und erforderlich ist, um die Handlungsfähigkeit nach dem Erbfall zu wahren, ist bezogen auf den Einzelfall zu prüfen.

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