Die EU‑Entgelttransparenzrichtlinie ((EU) 2023/970) (im Folgenden: Entgelttransparenz‑RL) bringt weitreichende Pflichten für Arbeitgeber in ganz Europa. Die Richtlinie muss bis zum 7.6.2026 in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland ist dafür eine Änderung des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG) erforderlich. Zur Vorbereitung wurde im Juli 2025 die Kommission „Bürokratiearme Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie“ eingesetzt, die bis Herbst 2025 konkrete Vorschläge erarbeiten soll. Das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des EntgTranspG dürfte sich hieran anschließen.
Auch wenn die Entgelttransparenz‑RL aktuell noch der Umsetzung in deutsches Recht bedarf, empfiehlt es sich, bereits jetzt mit den Vorbereitungen zur Entgelttransparenz zu beginnen, da die hohen Anforderungen an Arbeitgeber absehbar sind.
Ziel der Entgelttransparenz‑RL ist es, sicherzustellen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für gleiche oder gleichwertige Arbeit den gleichen Lohn erhalten. Ob Tätigkeiten gleich oder gleichwertig sind, ergibt sich aus einem Vergleich der wesentlichen Anforderungen. Diese Begrifflichkeiten der „gleichen“ oder „gleichwertigen Arbeit“ werden durch die Richtlinie nicht neu eingeführt, sondern ergeben sich aus Art. 157 AEUV, Art. 4 RL 2006/54/EG und dem aktuellen EntgTranspG. „Gleiche“ Arbeit liegt vor, wenn an verschiedenen Arbeitsplätzen oder nacheinander an demselben Arbeitsplatz eine identische oder gleichartige Tätigkeit ausgeführt wird (§ 4 Abs. 1 EntgTranspG). „Gleichwertige Arbeit“ liegt vor, wenn die Arbeit unter Berücksichtigung einer Gesamtheit von Faktoren als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden kann, wobei unter anderem die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderungen und die Arbeitsanforderungen zu berücksichtigen sind (§ 4 Abs. 2 EntgTranspG). Durch die Entgelttransparenz‑RL wird künftig nicht mehr nur auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers abgestellt weden, sondern darauf, ob deren Entgeltbedingungen von einer einheitlichen Quelle festlegt werden (Art. 19 Abs. 1 Entgelttransparenz‑RL). Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Matrixstrukturen, beispielsweise in Konzernunternehmen, könnten daher künftig miteinander verglichen werden, wenn sie unter derselben „Entgeltquelle“ stehen.
Nachfolgend geben wir Ihnen einen Überblick über sechs zentrale Neuerungen zur Entgeltgleichheit:
Der persönliche Geltungsbereich der Entgelttransparenz‑RL geht über den Geltungsbereich des aktuellen EntgTranspG hinaus: Gemäß Art. 2 Entgelttransparenz‑RL gelten die Vorgaben zur Entgelttransparenz nicht nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im privaten und öffentlichen Sektor, sondern auch für Stellenbewerber, die in Deutschland bislang lediglich in den Geltungsbereich des AGG fallen. Zudem gibt es auch keine Ausnahmen für öffentlich‑rechtliche Arbeitgeber.
Die Transparenz im Hinblick auf Entgelt und Gehaltsstrukturen soll damit künftig umfassend und schon vor der Einstellung – etwa auch bereits vor Abschluss des Arbeitsvertrags – geschaffen werden. Nach Art. 5 Abs. 1 Entgelttransparenz‑RL haben Bewerberinnen und Bewerber das Recht, vom Arbeitgeber Informationen über das vorgesehene Einstiegsgehalt bzw. eine Gehaltsspanne sowie über ggf. einschlägige Bestimmungen eines Tarifvertrags zu erhalten. Diese Angaben sollen auf geschlechtsneutralen und objektiven Kriterien beruhen. Künftig werden Arbeitgeber daher schon in der Stellenausschreibung oder vor einem Vorstellungsgespräch über das Einstiegsgehalt oder dessen Spanne zu informieren haben. Fragen des Arbeitgebers nach der Entgeltentwicklung in vorangegangenen Beschäftigungsverhältnissen sind hingegen gemäß Art. 5 Abs. 2 Entgelttransparenz‑RL unzulässig.
Nach Art. 6 Abs. 1 Entgelttransparenz‑RL werden Arbeitgeber künftig verpflichtet, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern leicht zugänglich Informationen über Kriterien zur Festlegung des Entgelts, zur Entgelthöhe und zur Entwicklung bereitzustellen. Eine vergleichbare allgemeine Informationspflicht enthält das EntgTranspG bislang nicht. Wichtig ist: Ein Auskunftsverlangen wird nicht vorausgesetzt, sodass Arbeitgeber unaufgefordert tätig werden müssen. Die Entgelttransparenz‑RL macht nur allgemeine Vorgaben zur Zugänglichkeit, sodass der deutsche Gesetzgeber hier konkretisieren muss, wie die Informationen bereitzustellen sind.
Bei der Umsetzung der Entgelttransparenz‑RL besteht für die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Ausnahme von der allgemeinen Informationspflicht zu machen. Ob der deutsche Gesetzgeber diese Ausnahme nutzen wird, ist derzeit noch offen und wird sich erst bei der nationalen Umsetzung zeigen.
Nach Art. 7 Abs. 1 Entgelttransparenz‑RL haben alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf schriftliche Information über ihre individuelle Entgelthöhe sowie über die durchschnittliche Entgelthöhe von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit, aufgeschlüsselt nach Geschlecht. Diese Auskunftspflicht gilt – anders als noch im bisherigen EntgTranspG – unabhängig von der Unternehmensgröße. Das bedeutet: Auch Arbeitgeber mit weniger als 200 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern müssen diese Informationen künftig auf Anfrage bereitstellen. Durch die Entgelttransparenz‑RL wird der individuelle Auskunftsanspruch damit erheblich ausgeweitet.
Zudem werden Arbeitgeber künftig verpflichtet, ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jährlich über das Bestehen und die Voraussetzungen dieses individuellen Auskunftsrechts zu informieren. Durch die regelmäßige Erinnerung an das Auskunftsrecht dürfte davon auszugehen sein, dass künftig mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Auskunftsanspruch tatsächlich in Anspruch nehmen werden.
Nach dem EntgTranspG besteht bislang nur eine Berichtspflicht für Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten. Die Entgelttransparenz‑RL erweitet diese Berichtspflicht erheblich. Berichtspflichtig sind nach Art. 9 Entgelttransparenz‑RL künftig alle Arbeitgeber mit mindestens 100 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, einschließlich öffentlich‑rechtlicher Organisationen und unabhängig von einer Tarifbindung. Damit werden viele Arbeitgeber, die bisher nicht betroffen waren, künftig zur Berichterstattung verpflichtet.
Inhalt dieses Berichts sind Angaben zu dem (mittleren) geschlechtsspezifischen Entgeltgefälle, wobei eine Aufschlüsselung nach Geschlecht, Grundentgelt sowie ergänzenden bzw. variablen Vergütungsbestandteilen zu erfolgen hat.
Die Entgelttransparenz‑RL sieht eine gestaffelte Einführung der Berichtspflicht vor: Arbeitgeber mit 150 und mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern haben einen ersten Bericht bis zum 7.6.2027 vorzulegen. Für Arbeitgeber mit 100 bis 149 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist ein erster Bericht erst bis zum 7.6.2031 vorzulegen. Auch die Häufigkeit der Berichtszyklen wird durch die Entgelttransparenz‑RL verkürzt. Arbeitgeber mit 250 und mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern müssen einen solchen Bericht jährlich vorlegen, Arbeitgeber mit 100 bis 249 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern alle drei Jahre. Die Berichtspflichten bringen somit einen erhöhten organisatorischen Aufwand mit sich. Arbeitgeber sollten zur Vorbereitung dieser Berichte bereits jetzt mit der Sammlung und Aufbereitung der erforderlichen Daten beginnen, um etwaig erforderliche Systemumstellungen rechtzeitig umsetzen zu können.
Die Inhalte dieser Berichte werden nach Art. 9 Abs. 7 Entgelttransparenz‑RL auch über eine Stelle oder/und die Unternehmenswebsite öffentlich zugänglich gemacht. Für Arbeitgeber bedeutet das: Die Ergebnisse der Berichte sind nicht nur intern relevant, sondern können sich auch auf die Außenwahrnehmung des Unternehmens auswirken.
Nach Art. 10 der Entgelttransparenz‑RL sollen Arbeitgeber zusammen mit Arbeitnehmervertretungen verpflichtet werden, eine gemeinsame Entgeltbewertung durchzuführen. Dies soll immer dann gelten, wenn sich aus dem Bericht ein Unterschied bei der durchschnittlichen Entgelthöhe von mindestens 5 % in einer Gruppe von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ergibt, der nicht auf objektiven, geschlechtsneutralen Kriterien beruht und wenn dieser Unterschied nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Tag der Berichterstattung korrigiert ist. Im Rahmen der nationalen Umsetzung bleibt abzuwarten, mit welchen Maßnahmen diese gemeinsame Entgeltbewertung sichergestellt werden soll.
Das EntgTranspG enthält bislang keine Sanktionsmöglichkeiten für Arbeitgeber, die gegen die Vorgaben verstoßen. Dies wird sich mit der Umsetzung der Entgelttransparenz‑RL ändern, wobei hinsichtlich der Ausgestaltung im Einzelnen die Konkretisierung durch den deutschen Gesetzgeber abzuwarten bleibt.
Nach Art. 16 Entgelttransparenz‑RL haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung, wenn sie aufgrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts Nachteile erleiden. Darüber hinaus sieht Art. 17 Entgelttransparenz‑RL vor, dass weitere Abhilfemaßnahmen und Sanktionen eingeführt werden sollen.
Auch die Geltendmachung von Verstößen ist in den Blick zu nehmen: Im Falle eines Verdachts auf einen Verstoß gegen den Grundsatz gleicher Bezahlung greift nach Art. 18 Entgelttransparenz‑RL eine sogenannte Beweislastumkehr. Das bedeutet, dass Arbeitgeber beweisen müssen, dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung stattgefunden hat, wenn die Arbeitnehmerin/ der Arbeitnehmer glaubhaft darlegt, dass ein solcher Verstoß vorliegt. Mögliche Verstöße können nach Art. 15 Entgelttransparenz‑RL zudem auch durch Verbände, Gleichbehandlungsstellen oder Arbeitnehmervertreter im Namen oder zur Unterstützung der betroffenen Personen vor Gericht geltend gemacht werden.
Zur Umsetzung der Vorgaben zur Entgelttransparenz sollten sich Arbeitgeber frühzeitig und strukturiert auf die neuen Anforderungen vorbereiten, um rechtliche Risiken zu vermeiden und ein faires und transparentes Vergütungssystem zu etablieren. Wir empfehlen, bereits jetzt eine umfassende Bestandsaufnahme und Analyse der bestehenden Entgeltstrukturen vorzunehmen. Ausgehend von den Erkenntnissen hieraus können in weiteren Schritten Einstellungs- und Vergütungsprozesse überarbeitet und die Kommunikation zur Entgelttransparenz sowie die Berichterstattungspflichten vorbereitet werden.
Für eine umfassende Bestandsaufnahme sollten Arbeitgeber zum einen Vergleichsgruppen bilden und zum anderen die Kriterien für die Entgeltfestlegung analysieren. In die Analyse sind sämtliche Entgeltbestandteile, also auch zusätzliche Leistungen wie z. B. Boni, Weihnachtsgeld oder geldwerte Vorteile durch eine Dienstwagennutzung einzubeziehen. Ein erster Schritt besteht darin, vergleichbare Tätigkeiten zu identifizieren, wofür insbesondere systematisch erstellte Stellenprofile eine Grundlage sein können. Sodann sollte geprüft werden, welche Kriterien der Entgeltstruktur zugrunde gelegt werden, beispielsweise berufliche Qualifikationen, Erfahrungen oder Verantwortung. Aufbauend auf dieser Bestandsaufnahme sollte im nächsten Schritt analysiert werden, welche Ursachen es für Ungleichbehandlungen innerhalb der Entgeltstrukturen gibt. Zeigen sich geschlechtsspezifische Differenzen, sollten diese zeitnah durch gezielte Anpassungen korrigiert werden. Darüber hinaus ist es ratsam, die Kriterien für Vergütungssysteme und Entwicklungsmöglichkeiten transparent und nachvollziehbar zu dokumentieren, um auf die Berichts- und Informationspflichten sowie individuelle Auskunftsansprüche vorbereitet zu sein.
Bernadette Prauss
Associate
Rechtsanwältin
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