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Pflichtteilsstrafklauseln in gemeinschaftlichen Testamenten

‑- OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.08.2010 – 20 W 49/09
‑- OLG Köln, Beschluss vom 27.09.2018 – 2 Wx 314/18
‑- OLG München, Beschluss vom 06.12.2018 – 31 Wx 374/17

Das sog. „Berliner Testament“ ist eine besondere Form eines gemeinschaftlichen Ehetestaments. Die Ehepartner setzen sich gegenseitig als Alleinerben für den ersten Erbfall und ihre Abkömmlinge als Schlusserben für den zweiten Erbfall ein. Durch eine sog. „Pflichtteilsstrafklausel“ soll häufig in einem solchen Testament sicherstellt werden, dass dem Überlebenden der Nachlass bis zu seinem Tod ungeschmälert verbleibt und er nicht mit der Pflichtteilsforderung eines der Kinder konfrontiert wird. Vereinfacht lauten derartige Klauseln – die in verschiedenen Varianten existieren – etwa wie folgt: „Wenn eines unserer Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt, erhält es auch nach dem Tod des Letztversterbenden nur den Pflichtteil.“ Eine vorgesehene Erbeinsetzung oder Vermächtnisse entfallen mithin als „Strafe“. Strafklauseln können nur eine abschreckende Wirkung entfalten, ausgeschlossen werden kann durch die Klausel die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüche nicht; ein völliger Ausschluss ist nur in seltenen Fälle möglich, in denen der Pflichtteil testamentarisch entzogen werden kann.

Auf eine klar verständliche Formulierung von Strafklausel wird nicht immer geachtet. Oft ist umstritten, durch welches Verhalten die Strafklausel konkret „ausgelöst“ wird. Etwa bereits durch Nachfragen zur Höhe des Nachlasses oder erst durch eine unmissverständliche Zahlungsanforderung? Und wie ist es, wenn ein Kind die Unwirksamkeit des Testaments, etwa aufgrund einer dementiellen Erkrankung vermutet? In einer alternden Gesellschaft stellt sich schließlich immer öfter die Frage, ob die Eltern bei Abfassung ihrer Testamente noch testierfähig waren. In solchen Fällen überlegen die Kinder, ob sie das Testament „angreifen“ und die Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung geltend machen sollen.

Zu dem letzten Aspekt hat sich jüngst das Oberlandesgericht München geäußert: Eine Strafklausel, die auf ein „Verlangen“ des Pflichtteils nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten abstellt, soll nicht bereits dann eingreifen, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Einziehung eines erteilten Erbscheins beantragt, auch wenn er auf diese Weise die Erbenstellung des überlebenden Ehegatten (etwa wegen behaupteter Testierunfähigkeit) in Frage stellt. Im konkreten Fall musste sich das Kind daher nicht „nur“ mit dem Pflichtteil begnügen. Eine andere Beurteilung – so das Oberlandesgericht weiter – gelte aber möglicherweise, wenn die Erblasser die Pflichtteilsstrafklausel abweichend formuliert hätten, etwa (wie nicht unüblich): „Wer das Testament anficht, erhält nach dem Tod nur den Pflichtteil“.

Das Oberlandesgericht Köln hat bei einer ähnlich formulierten Klausel hervorgehoben, dass die Erblasser sicherstellen wollten, dass keines der Kinder einen Vorteil aus der Geltendmachung des Pflichtteils ziehe. Eine Zuwiderhandlung liege bereits dann vor, wenn ein „ernsthaftes Pflichtteilsverlangen“ festgestellt werden könne. Das sei der Fall, wenn ein konkreter Betrag unter Hinweis auf ansonsten drohende „Inanspruchnahme“ gefordert werde.

Die Entscheidungen zeigen, dass Sorgfalt auf die Formulierung von Strafklauseln gelegt werden muss, damit Ehegatten ihr Ziel, Streit zu vermeiden, tatsächlich erreichen. Gleichzeitig sollten Kinder nach dem Erbfall mit Bedacht agieren, um nicht ungewollt eine Pflichtteilsstrafklausel auszulösen.

Sorgfalt ist auch aus einem weiteren Grund angezeigt: Nicht selten sind Konstellationen, in denen Kinder in Abstimmung mit dem längerlebenden Partner ihren Pflichtteil geltend machen (wollen), damit im zweiten Erbfall die Erbschaftsteuerbelastung sinkt. Es ist zu empfehlen, diesen Fall bei der Abfassung einer Pflichtteilsklausel zu berücksichtigen, etwa in dem die oben zitierte Klausel wie folgt ergänzt wird: „Wenn eines unserer Kinder gegen den Willen des längerlebenden Ehepartners nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt,…“. Wird die Klausel nicht im beschriebenen Sinne ergänzt, besteht die Gefahr, dass die Klausel auch dann eingreift, wenn die Kinder im Einvernehmen mit dem längerlebenden Elternteil handeln. Das Oberlandesgericht Frankfurt war in der eingangs zitierten Entscheidung der Auffassung, dass eine Strafklausel auch durch die einvernehmliche Geltendmachung „aktiviert“ werde. Der Umstand, dass „automatische Ausschlussklauseln höchst unflexibel, starr und erbschaftsteuerlich kontraproduktiv“ seien, sei bei der Formulierung zu bedenken; er ändere nichts an der automatischen Enterbung, wenn der Pflichtteil verlangt und ausgezahlt wurde. In der erbschaftsteuerlichen Literatur wird ein alternativer Weg empfohlen, um die Erbschaftsteuerfreibeträge der Kinder auszunutzen, ohne Gefahr zu laufen, die Verwirkungsklausel auszulösen. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen, was als Abfindung für einen Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch gewährt wird. Wichtig: Der Pflichtteilsanspruch muss nach herrschenden Meinung zwar entstanden sein (was mit dem Erbfall der Fall ist), darf aber noch nicht geltend gemacht worden sein. Das Aushandeln einer Abfindung für einen Verzicht wird dabei überwiegend nicht als Geltendmachung des Pflichtteils angesehen. Im Einzelfall ist daher Vorsicht und fachmännische Beratung geboten.

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