‑‑ EuGH, Urteil vom 04.07.2019, Rechtssache C‑377/17
Die EU‑Konformität der verbindlichen Höchst‑ und Mindestsätze der HOAI war seit längerem umstritten. Die Kommission sah darin einen Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie und die Niederlassungsfreiheit. Sie hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland vor dem EuGH eingeleitet. Die Bundesregierung hielt die HOAI dagegen für europarechtskonform. Die Mindest‑ und Höchstsätze seien geeignet und erforderlich, um die Qualität von Planungsleistungen zu sichern und die Verbraucher zu schützen. In seinen Schlussanträgen vom 28.02.2019 empfahl der Generalanwalt dem EuGH, der Klage der Kommission stattzugeben https://www.redeker.de/de/newsletter/bau‑und‑immobilienrecht‑1‑2019.
In seinem heutigen Urteil stellt der EuGH fest, dass Deutschland mit den Mindest‑ und Höchstsätzen gegen Europarecht verstoßen hat. Bemerkenswert ist allerdings die Begründung: Anders als die Kommission und der Generalanwalt geht der Gerichtshof explizit davon aus,
„dass die Existenz von Mindestsätzen für die Planungsleistungen im Hinblick auf die Beschaffenheit des deutschen Marktes grundsätzlich dazu beitragen kann, eine hohe Qualität der Planungsleistungen zu gewährleisten, und folglich dazu, die von der Bundesrepublik Deutschland angestrebten Ziele zu erreichen“ (Rn. 88).
Zum Verhängnis wird den Mindestsätzen aber, dass die deutsche Rechtslage nach Auffassung des EuGH insofern inkohärent ist, als sie Planungsleistungen nicht bestimmten Berufsständen vorbehält, die einer berufs‑ oder kammerrechtlichen Aufsicht unterliegen. Der EuGH führt aus:
„Der Umstand jedoch, dass in Deutschland Planungsleistungen von Dienstleistern erbracht werden können, die nicht ihre entsprechende fachliche Eignung nachgewiesen haben, lässt im Hinblick auf das mit den Mindestsätzen verfolgte Ziel, eine hohe Qualität der Planungsleistungen zu erhalten, eine Inkohärenz in der deutschen Regelung erkennen. Trotz des Befunds in Rn. 88 des vorliegenden Urteils ist nämlich festzustellen, dass solche Mindestsätze nicht geeignet sein können, ein solches Ziel zu erreichen, wenn – wie aus den beim Gerichtshof eingereichten Unterlagen hervorgeht – für die Vornahme der Leistungen, die diesen Mindestsätzen unterliegen, nicht selbst Mindestgarantien gelten, die die Qualität dieser Leistungen gewährleisten können“ (Rn. 92).
Zu den Höchstsätzen äußert sich der Gerichtshof nur kurz und stellt im Wesentlichen fest, dass weniger einschneidende Mittel denkbar wären, um die Ziele des Verordnungsgebers zu erreichen.
Hinsichtlich der HOAI als solcher gilt:
Für bestehende Honorarvereinbarungen sind die Folgen begrenzt:
Bestehende Verträge ohne Honorarvereinbarungen bleiben von der Entscheidung grundsätzlich unberührt:
Für Neuverträge sind die Parteien bis zu einer etwaigen anderweitigen Neuregelung grundsätzlich frei, ihr Honorar abweichend von der Systematik und Vergütungshöhe der HOAI zu vereinbaren. Da nicht feststeht, wie Gesetz‑ und Verordnungsgeber auf das Urteil reagieren werden, sollte jedoch vorsorglich eine Orientierung an der HOAI erwogen werden. Jedenfalls ist bei Vereinbarungen unbedingt darauf zu achten, dass diese nach § 7 Abs. 5 HOAI schriftlich bei Auftragserteilung zu treffen sind. Die Rechtsprechung ist insoweit sehr strikt. Auch schon kurz nach Auftragserteilung erfolgende schriftliche Bestätigungen der Honorarvereinbarung sind kritisch.
Prof. Dr. Burkhard Messerschmidt
Rechtsanwalt
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Dr. Matthias Kottmann, Maître en Droit
Partner
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Bartholomäus Aengenvoort
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