Für die ordnungsgemäße Durchführug der 2026 stattfindenden turnusmäßigen Betriebsratswahlen kommt der Bestimmung der wahlberechtigten Arbeitnehmer grundlegende Bedeutung zu. Nach § 7 BetrVG sind aktiv wahlberechtigt alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Das sind Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zum Inhaber des Betriebs stehen und innerhalb der Betriebsorganisation des Arbeitgebers abhängige Arbeitsleistungen erbringen. Mit dem Ausdruck „des Betriebs“ wird beschrieben, dass grundsätzlich nur Arbeitnehmer, die zur Belegschaft des Betriebs gehören, zum Betriebsrat wahlberechtigt sind.
Nach einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des Bundesarbeittsgerichts (BAG) kann ein Arbeitnehmer, insbesondere eine Führungskraft in einem Unternehmen mit einer betriebsübergreifenden Matrix‑Struktursprächen in die Organisation mehrerer Betriebe seines Arbeitgebers eingegliedert und damit für die Wahl der Betriebsräte mehrerer Betriebe aktiv wahlberechtigt sein (BAG, Beschl. v. 22.5.2025 – 7 ABR 28/24). Das BAG hob damit die Entscheidung des Landesarrbeitsgerichts Baden‑Württemberg auf und verwiese die Sache zurück. Das Landesarbeitsgericht hatte angenommen, dass die besseren Gründe dafür sprächen, einer Führungskraft, die Arbeitnehmer in mehreren Betrieben führt, nur in ihrem „Stammbetrieb“, nämlich dem Betrieb, dem sie arbeitsvertraglich zur regelmäßigen Arbeitsleistung zugeordnet ist, das Stimmrecht nach § 7 BetrVG zuzuerkennen. Als Argumente hatte es angeführt die Grundvorstellung des BetrVG, dass ein Arbeitnehmer nur einem und nicht mehreren Betrieben angehöre, die Ortsnähe der Interessenvertretung, die Praktikabilität und Rechtssicherheit sowie einer anderenfalls bewirkte Überrepräsentanz von Matrix‑Managern. All dies überzeugte das BAG nicht.
Es gibt keine „Grundvorstellung“ des BetrVG, dass ein Arbeitnehmer nur einem und nicht mehreren Betrieben angehört. Der 1. Senat des BAG hat die mehrfache Betriebszugehörigkeit im Zusammenhang mit dem Mitbestimmungstatbestand des § 99 BetrVG mehrfach anerkannt (Zuletzt BAG, Beschl. v. 14.6.2022 – 1 ABR 13/21). Es ist grundsätzlich möglich, dass Arbeitnehmer, insbesondere Führungskräfte in Matrix‑Organisationen, mehrerern Betrieben angehören. Entscheidend ist, dass sie in die betriebliche Organisation eingegliedert sind. Dies bekräftigt der 7. Senat nunmehr auch für das aktive Wahlrecht.
Verwirklicht ein Arbeitnehmer als Vorgesetzter zusammen mit Arbeitnehmern eines anderen Betriebs durch die Wahrnehmung der Führungsaufgabe (auch) den arbeitstechnischen Zweck dieses anderen Betriebs, ist er in die Arbeitsorganisation des anderen Betriebs eingebunden.Ob eine bei dem Betriebsinhaber beschäftigte Führungskraft, die als Vorgesetzte von Arbeitnehmern eines Betriebs tätig ist, dort eingegliedert und damit tatsächlich in die betriebliche Arbeitsorganisation integriert wird, erfordert eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls. Hierbei können fachliche Weisungsbefugnisse der Führungskraft Berücksichtigung finden. Das setzt aber voraus, dass sich aus ihrer Wahrnehmung eine Einbindung bei der Erfüllung der im Betrieb von den dortigen Arbeitnehmern zu erledigenden operativen Aufgaben oder in die dortigen Arbeitsprozesse ergibt. Hierfür bedarf es in der Regel entsprechender Feststellungen, zumal der Begriff des „fachlichen Weisungsrechts“ – ebenso wie der des „disziplinarischen Weisungsrechts“ – kein feststehender Rechtsbegriff ist. Für die die Zugehörigkeit zu einem Betrieb vermittelnde Eingliederung ist jedenfalls nicht entscheidend, wo die Tätigkeit räumlich‑örtlich ausgeübt wird. Weder ist zwingend erforderlich, dass die Führungskraft ihre Tätigkeit innerhalb von Betriebsräumen verrichtet, noch muss sie in einem bestimmten zeitlichen Mindestumfang „vor Ort“ sein, noch muss sie einer Bindung an Weisungen einer gleichfalls im Betrieb tätigen – ihr gegenüber vorgesetzten – Person unterliegen.Typischerweise liegt eine Eingliederung der Führungskraft vor, wenn sie zur Durchführung der ihr obliegenden Aufgaben mit den im Betrieb tätigen Arbeitnehmern regelmäßig zusammenarbeiten muss und damit ihre fachlichen Weisungsbefugnisse auch tatsächlich wahrnimmt. Andererseits scheidet eine Einbindung in die betrieblichen Arbeitsprozesse auch nicht bereits dann aus, wenn eine Führungskraft ein weitgehend selbständig arbeitendes Team leitet und die (fachliche) Führung deshalb im Arbeitsalltag keinen großen Raum einnimmt.
Die mehrfache Zugehörigkeit zu verschiedenen Betrieben hat nicht nur für das Mitbestmmungsrecht bei Einstellungen und Versetzungen sowie für die Wahlberechtigung Bedeutung, sondern auch für die Anhörung der oder des zuständigen Betriebsräte bzw. Betriebsrats und für die Reichweite von (unterschiedlicen) Betriebsvereinbarungen.
Axel Groeger
partner
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