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Anpassung von Gesellschaftsverträgen nach der Erbschaftsteuerreform 2016

‑‑Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer‐ und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BGBl 2016, Teil I Nr. 52, S. 2464)

Das Bundesverfassungsgericht hat das Erbschaftsteuergesetz mit Urteil vom 17. Dezember 2014 (Az. 1 BvL 21/12 – BGBl. 2015 I S. 4) für verfassungswidrig erklärt und die Weitergeltung des bisherigen Rechts bis zum 30. Juni 2016 angeordnet. Der Gesetzgeber hat erst im November 2016 mit geänderten Regelungen zur Besteuerung des unternehmerischen Vermögens reagiert. Die Neuregelungen gelten indes grundsätzlich rückwirkend bereits ab dem 1. Juli 2016.

Die neuen erbschaftsteuerlichen Regeln für die Unternehmensnachfolge halten das bisherige Verschonungssystem für unternehmerisches Vermögen aufrecht, wenn auch mit Einschränkungen. Regelverschonung (85%) und Optionsverschonung (100%) für begünstigtes Vermögen bleiben bestehen, Verwaltungsvermögen wird aber nun grundsätzlich besteuert. Allerdings gewährt das neue Recht auch eine Steuerbefreiung durch einen sog. Vorweg‐Abschlag auf Anteile von Familiengesellschaften, wenn bestimmte Anforderungen erfüllt werden.

Erforderlich ist, dass im Gesellschaftsvertrag des Unternehmens, dessen Anteile verschenkt oder vererbt werden, Beschränkungen für Entnahmen oder Ausschüttungen, für Verfügungen über Gesellschaftsanteile und für die Höhe der Abfindung von ausscheidenden Gesellschaftern enthalten sind, also Beschränkungen, die viele Familiengesellschaften in ähnlicher Form ohnehin kennen. Entnahmen oder Ausschüttungen der Gesellschaft müssen im Gesellschaftsvertrag auf höchstens 37,5% des (steuerlichen) Gewinns nach Abzug von Steuern beschränkt sein. Der Vertrag darf eine Übertragung der Anteile nur auf Mitgesellschafter, Angehörige (im Sinne von § 15 AO) und auf eine Familienstiftung erlauben. Schließlich muss die Abfindung für das Ausscheiden von Gesellschaftern auf einen Betrag unter dem Verkehrswert (gemeiner Wert) des Anteils begrenzt sein.

Diese Regeln des Gesellschaftsvertrages müssen zwei Jahre vor dem Erbfall oder der Schenkung bestanden haben und zwanzig (!) Jahre lang aufrechterhalten werden. Dabei genügt die bloße Papierform nicht; die Beschränkungen müssen vielmehr auch tatsächlich eingehalten werden. Ob das wirklich zwanzig Jahre lang gelingen kann, ist sehr fraglich. Es genügt schon ein einmaliger Verstoß, etwa durch eine erhöhte Entnahme oder eine höhere Abfindung, mag er auch erst im letzten Jahr des außerordentlich langen Zeitraums von zwanzig Jahren geschehen, um den Abschlag insgesamt (und nicht etwa nur anteilig) rückwirkend zu verlieren. In einer langfristig planenden und gut organisierten Familiengesellschaft wird sich dies aber möglicherweise doch vermeiden lassen.

Der Vorteil durch den Vorweg‐Abschlag kann erbschaftsteuerlich ganz erheblich sein. Der Abschlag wird „vorweg“ gewährt, nämlich vor Anwendung des Verschonungsabschlages auf den begünstigten Gesellschaftsanteil. Der Vorweg‐Abschlag ist nicht fix, sondern der Höhe nach an die Prozentpunkte gekoppelt, zu denen die gesellschaftsvertragliche Abfindung bei Ausscheiden unter dem Verkehrswert des Gesellschaftsanteils liegt. Er kann aber höchstens 30% betragen.

Interessant ist der Vorweg‐Abschlag für solche Familiengesellschaften, bei denen Anteilserwerbe im Wert von mehr als € 29 Mio. anstehen. Denn ab dieser Grenze wird entweder die allgemeine Verschonung abgeschmolzen oder es kommt zu der Bedarfsprüfung mit Erlass (unter Einbeziehung des vorhandenen Privatvermögens). Der Abschlag erhöht die Grenze von € 29 Mio. erheblich. Aber auch bei Erwerben unter dieser Grenze mindert der Abschlag die Steuerbemessungsgrundlage, wenn die Regelverschonung (Wertansatz des Unternehmens‐vermögens mit 15%) Anwendung findet. Versteuert werden bei voller Ausnutzung des Vorweg‐Abschlages nicht 15%, sondern nur 10,5% des Anteilswertes.

Klaus Walpert

Dr Klaus Walpert
of counsel

attorney
(walpert@redeker.de)

Diskriminierung nichtehelicher Kinder

‑‑EGMR, Urteil vom 09.02.2017, Az.: 29762/10 (Mitzinger/​Deutschland)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Bundesrepublik Deutschland am 9. Februar 2017 erneut wegen einer Diskriminierung nichtehelicher Kinder im Erbrecht verurteilt. Im Fokus stehen die Übergangsvorschriften zur vollständigen Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder.

Nach der ursprünglichen Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) stand nichtehelichen Kindern ein gesetzliches Erbrecht oder ein Pflichtteilsrecht nur gegenüber ihrer Mutter und den mütterlichen Verwandten zu. Die entsprechenden Vorschriften wurden durch das sog. Nichtehelichengesetz (NEhelG) mit Wirkung zum 1. Juli 1970 geändert. Nach der seinerzeitigen Übergangsregelung galt jedoch für vor dem 1. Juli 1949 geborene Kinder das alte Recht fort. Das Bundesverfassungsgericht hielt diese Übergangsregelung in mehreren Entscheidungen für verfassungsgemäß. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte trat dem jedoch bereits 2009 entgegen (Brauer/​Deutschland, AZ.: 3545/04), weil es eine Verletzung von Art. 8 und Art. 14 (Diskriminierungsverbot) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) erkannte.

Deutschland reagierte mit einer Veränderung der Stichtagsregelung, die noch heute gilt und die das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 18.03.2013 (Az.: 1 BvR 2436/11 und 3155/11) wiederum als verfassungsgemäß ansah. Danach haben nichteheliche Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden und deren Vater vor dem 29. Mai 2009 gestorben ist, in Deutschland noch immer keine gesetzlichen Rechte am Erbe des Verstorbenen.

Hierin liegt, wie der EGMR nun erkannte, noch immer eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung. Der EGMR verweist dabei – und das ist über die Sachfrage hinaus von Bedeutung – auf seine ständige Rechtsprechung, nach der die Konvention ein „lebendiges Instrument” sei, die im Lichte der gegenwärtigen Bedingungen in dynamischer Weise ausgelegt werden müsse. Da die Konventionsstaaten der Gleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder große Bedeutung beimessen, könnten nur sehr schwerwiegende Gründe eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Die Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland zu der Stichtagsregelung bewogen haben, namentlich Vertrauensschutz und Rechtssicherheit, seien grundsätzlich zwar von hohem Rang, könnten nach dem zwischenzeitlich erreichten Rechtsstand und Vorstellungsbild in Europa heute aber keine ausreichende Rechtfertigung mehr für die Versagung des gesetzlichen Erbrechts nichtehelicher Kinder darstellen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Ob der Bedeutung der Sache erscheint eine Verweisung an die große Kammer des Gerichts denkbar, die von der Bundesrepublik Deutschland allerdings innerhalb von drei Monaten nach Erlass des Urteils beantragt werden müsste. Wie die Bundesrepublik reagiert und ob es zu einer erneuten Reform der maßgeblichen Vorschriften kommt, bleibt abzuwarten. Betroffene Familien sollten die weitere Entwicklung verfolgen.

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