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Neue Vorgaben zum Homeoffice für Arbeitgeber durch die SARS‑​CoV‑2‑Arbeitsschutzverordnung

An diesem Mittwoch, den 27. Januar 2021, tritt die SARS‑​CoV‑2‑Arbeitsschutzverordnung (Corona‑​ArbSchV) in Kraft. Damit reagiert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf die aktuelle Infektionslage. Die Verordnung ist zunächst bis zum 15. März 2021 befristet. Abhängig vom weiteren Infektionsgeschehen und der Entwicklung von Coronavirus‑​Mutationen erscheint eine Verlängerung der Verordnung nicht ausgeschlossen.

Pflicht zum Angebot von Homeoffice

Ab Geltung der Verordnung hat der Arbeitgeber nach § 2 Abs. 4 Corona‑​ArbSchV

„den Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeit in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingte Gründe entgegenstehen“.

Der Arbeitgeber muss in den Fällen des § 2 Abs. 4 Corona‑​ArbSchV dem Arbeitgeber eine Tätigkeit im Homeoffice anbieten. Hierzu führt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aus:

„Die Regelung verpflichtet Arbeitgeber bei Büroarbeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten das Arbeiten im Homeoffice zu ermöglichen. Die Belange von Beschäftigten mit Behinderungen sind zu beachten. Nur wenn zwingende betriebliche Gründe entgegenstehen, kann von einer Verlagerung dieser Tätigkeiten abgesehen werden.“

Während der Entwurf der Corona‑​ArbSchV verschärfte Maßnahmen auch noch vom Inzidenzwert des RKI abhängig machte, enthält die letztlich erlassene Verordnung diese Beschränkung nicht mehr. Die Regeln greifen also überall und damit auch dann, wenn in der betreffenden Region der Inzidenzwert unter 50 liegt.

Zwingende betriebsbedingte Gründe gegen eine Tätigkeit im Homeoffice

Damit stellt sich die Frage, wann aus der Sicht des Arbeitgebers „zwingende betriebsbedingte Gründe“ vorliegen können, eine Tätigkeit im Home‑​Office abzulehnen. Die Verordnung selbst und deren Begründung lassen diese leider offen. Der Wortlaut „zwingende betriebsbedingte Gründe“ deutet auf einen hohen Prüfungsmaßstab hin.

Grundsätzlich ist eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen, welche Anforderungen hinsichtlich des jeweiligen Betriebs und des jeweiligen Arbeitsplatzes bestehen. Sollte der Arbeitnehmer auf bestimmte Mittel angewiesen sein, die sich im Betrieb befinden und nur dort befinden dürfen oder können, so ist ein zwingender betriebsbedingter Grund anzusehen. Hier ist neben Maschinen auch an Software zu denken, die aus Lizenzgründen nur im Betrieb zur Verfügung gestellt werden können. Auch die Gefährdung von Betriebsgeheimnissen oder Gründe der Berufsverschwiegenheit können zwingende betriebsbedingte Gründe darstellen.

Darüber hinaus können sich auch aufgrund Arbeitnehmer selbst zwingende betriebsbedingte Gründe ergeben, etwa wenn neue Mitarbeiter im Betrieb eingearbeitet werden müssen oder die Einarbeitung anderenfalls unzumutbar erschwert würde.

Öffentlich‑​rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers, aber kein Klagerecht des Arbeitnehmers

Bei § 2 Abs. 4 Corona‑​ArbSchV handelt es sich um eine arbeitsschutzrechtliche und damit um eine öffentlich‑​rechtliche Verpflichtung, die Arbeitnehmern kein subjektives Klagerecht auf eine Tätigkeit im Homeoffice gibt. Umgekehrt gilt aber auch, dass, der Arbeitnehmer die Tätigkeit im Home‑​Office ablehnen kann, auch ohne jegliche Begründung. Der Arbeitgeber kann eine Tätigkeit im Homeoffice grundsätzlich nicht erzwingen, denn sein bloßer Wunsch, dass sämtliche Arbeitnehmer im Betrieb tätig sind, stellt keinen zwingenden betriebsbedingten Grund dar.

Diese Verpflichtung, ein Angebot zu unterbreiten, ist im arbeitsschutzrechtlichen Kontext zu sehen: Nach § 2 Abs. 2 Corona‑​ArbSchV hat der Arbeitgeber alle geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, um betriebsbedingte Personenkontakte zu reduzieren. Betriebsbedingte Zusammenkünfte mehrerer Personen sind nach § 2 Abs. 3 S. 1 CoronaSchV auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren und nach Möglichkeit durch die Verwendung von Informationstechnologie zu ersetzen. Nach Ansicht des LAG Berlin‑​Brandenburg kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen Telearbeitsplatz aufgrund des Direktionsrechts zuweisen (LAG Berlin‑​Brandenburg vom 14.11.2018 – 17 Sa 562/18).

Dokumentation empfehlenswert

Das Angebot und ggf. die Ablehnung des Angebots durch den Arbeitnehmer sowie etwaige zwingende betriebsbedingte Gründe sollten Arbeitgeber sinnvollerweise dokumentieren. Die zuständige Behörde kann vom Arbeitgeber die zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgabe erforderlichen Auskünfte und die Überlassung von entsprechenden Unterlagen verlangen. Im ungünstigsten Fall könnte die Arbeitsschutzbehörde nach § 22 Abs. 3 S. 3 ArbSchG bei einem Verstoß gegen eine Anordnung, Home‑​Office anzubieten, die Tätigkeit im Betrieb untersagen.

Vereinbarung über die Tätigkeit im Home‑​Office

Die Umsetzung von Home‑​Office erfordert, dass in der Wohnung der Beschäftigten die räumlichen und technischen Voraussetzungen dafür vorliegen. Zudem müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Nutzung von Home‑​Office abschließen. Die Ausgestaltung dieser Vereinbarungen ist den Vertragsparteien freigestellt. Sie sollte jedoch aus unserer Sicht unbedingt die üblichen bei Home‑​Office relevanten Fragen wie Vertraulichkeit, Datenschutz, Datensicherungsmaßnahmen, Haftung und Kostentragung usw. beinhalten. Die Vereinbarung erfolgt regelmäßig im Wege einer individualvertraglichen Regelung, soweit keine Betriebsvereinbarung besteht.

Sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer über den Inhalt der Vereinbarung zum Homeoffice uneinig, kann der Arbeitgeber unseres Erachtens von den Arbeitsschutzbehörden nicht angehalten werden, eine andere Vereinbarung anzubieten, da nach der Begründung der Corona‑​ArbSchV die Ausgestaltung der Vereinbarung den Vertragsparteien ausdrücklich freigestellt ist. Solange die Vereinbarung keine nach §§ 305 ff. BGB unwirksamen Klauseln enthält, ist die Annahme der Vereinbarung dem Arbeitnehmer zumutbar. Wenn er sie dennoch ablehnt, ist die Umsetzung des Home‑​Office unseres Erachtens unmöglich und kann dann auch von der Arbeitsschutzbehörde nicht verlangt werden.

In diesem Zusammenhang spielt die Frage, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer anteilige Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer zu erstatten hat, eine wesentliche und entscheidende Rolle sowohl für das „wording“, mit dem Arbeitgeber Home‑​Office anbieten, als auch für den Zeitraum, für den die Vereinbarung gelten soll. Nach der Rechtsprechung des BAG richtet sich die Frage, ob ein Aufwendungsersatzanspruch des Arbeitnehmers besteht, maßgeblich danach, wessen Interesse die Arbeit im Home‑​Office überwiegend dient (BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 657/02; BAG v. 12.4.2011 – 9 AZR 14/10, NZA 2012, 97, 99; Hoppe in: Kramer, IT‑​Arbeitsrecht, B. VII. 3. Rn. 573). Steht dem Arbeitnehmer weiterhin ein Arbeitsplatz im Betrieb zur Verfügung, spricht vieles dafür, dass das Interesse des Arbeitnehmers überwiegt und damit kein Aufwendungsersatzanspruch für eine anteilige Miete etc. gegenüber dem Arbeitgeber besteht. Zudem gilt, dass je größer die Flexibilisierung der Tätigkeit des Arbeitnehmers ist, umso größer regelmäßig auch das Interesse des Arbeitnehmers hieran ist und dass desto eher ein Aufwendungsersatz abgelehnt werden kann.

Selbstverständlich unterstützen wir Sie gerne bei dem Entwurf einer auf Ihre Bedürfnisse angepassten Vereinbarung.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Rein vorsorglich weisen wir darauf hin, dass es derzeit keinen allgemeinen Mitbestimmungstatbestand zur Tätigkeit im Homeoffice oder bei mobilem Arbeiten gibt. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Betriebsrat im Zusammenhang mit einer solchen Tätigkeit Mitbestimmungsrechte haben kann, zum Beispiel im Rahmen des Gesundheitsschutzes bei Gefährdungsbeurteilungen. Die Frage, ob, mit wem und mit welchem Inhalt eine Tätigkeit im Homeoffice vereinbart wird, unterliegt jedoch noch keinem Mitbestimmungsrecht. Es gibt aktuelle Bestrebungen, dies zu ändern; so sieht der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales des Betriebsrätestärkungsgesetzes ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung der mobilen Arbeit vor.

Ira Gallasch

Ira Gallasch
senior associate

attorney
(gallasch@redeker.de)

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